
Interview mit einer Wildtierstation zum Thema verwaiste Fuchsbabys
In Niederösterreich gibt es keine Schonzeit für Füchse – ein Umstand, der jedes Jahr zahlreichen Tieren das Leben kostet. Besonders tragisch traf es im April 2025 fünf Fuchsbabys, deren Mutter vermutlich gezielt erschossen wurde. In ihrer Verzweiflung folgten die Füchse einem Spaziergänger über ein freies Feld – ein Hilferuf, der nicht ungehört blieb. Der Verein „Ein Herz für Wildtiere“ aus Steinabrückl nahm sich der verwaisten Tiere an und kämpfte – wie so oft – nicht nur gegen die Folgen menschlichen Handelns, sondern auch gegen strukturelle Hürden im Wildtierschutz. Im Interview berichtet die engagierte Tierschutzinitiative von der Rettungsaktion, wiederkehrenden Herausforderungen im Umgang mit jagdlich verletzten Wildtieren und von der dringenden Notwendigkeit gesetzlicher Reformen zugunsten des Mitgefühls und der Artenvielfalt.
1) In Niederösterreich gibt es keinen einzigen Tag Schonzeit für Füchse, dieser Umstand wurde vermutlich auch den fünf Fuchskindern, die Sie aufgenommen haben, zum Verhängnis. Was ist wann genau passiert?
Im April 2025 wurden wir alarmiert, weil mehrere Fuchswelpen einem Spaziergänger mit Hund über ein freies Feld hinterherliefen. Der zugehörige Fuchsbau befand sich gut geschützt unter einem großen Haufen Äste, weit entfernt von Straßen oder Häusern. Es war also sehr unwahrscheinlich, dass die Fähe (Fuchsmutter) einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen war.
Was unseren Verdacht erhärtete, war der Fund mehrerer Schrotpatronenhülsen direkt vor dem Bau – ein Hinweis darauf, dass die Mutter wohl durch einen gezielten Schuss getötet wurde.
Da wir gesetzlich verpflichtet sind, vor einer Übernahme Rücksprache mit dem örtlichen Jäger zu halten, kontaktierten wir diesen. Leider mussten wir im Gespräch feststellen, dass Füchse in dieser Gegend als „Plage“ betrachtet werden. Nach anfänglicher Konfrontation konnten wir uns jedoch auf eine Lösung einigen: Die fünf Welpen durften in unsere Obhut übergeben werden – allerdings unter der Bedingung, dass eine spätere Auswilderung an diesem Ort nicht stattfinden darf.
2) Wie sind Sie auf die verwaisten Füchse aufmerksam geworden?
Die Finder kontaktierten mehrere Tierschutzhäuser, doch niemand konnte helfen – nicht aus Gleichgültigkeit, sondern weil klassische Tierheime für die Aufnahme und Versorgung von Wildtieren meist nicht ausgestattet sind.
Da unser Verein sich auf die Pflege und Wiederauswilderung von Wildtieren spezialisiert hat, wurden wir schließlich informiert. Zum Glück – denn das schnelle Handeln rettete zumindest fünf von ursprünglich sieben Welpen das Leben.
3) Wie war ihr Zustand und wie sah die Erstversorgung aus?
Glücklicherweise waren die Welpen bei ihrer Ankunft bei uns noch in einem stabilen Zustand – wachsam, aber sichtlich hungrig und verunsichert.
Drei konnten direkt am Fundtag gesichert werden, zwei weitere am Tag darauf. Leider kam für zwei Geschwister jede Hilfe zu spät – sie verstarben vermutlich im Bau an Unterkühlung oder Erschöpfung.
Die fünf geretteten Tiere wurden bei uns tierärztlich durchgecheckt, aufgewärmt, gefüttert und schließlich in eine für Wildtiere geeignete Pflegeeinrichtung übergeben, wo sie weiterhin professionell betreut werden.
4) Gab es in der Vergangenheit bereits Fälle, wo Sie Tiere aufgenommen haben, die vermutlich durch die Jagd verletzt wurden oder verwaist sind?
Ja, leider immer wieder. Erst kürzlich wurden wir zu einem jungen Rehbock gerufen, der schwer verletzt in einem Garten Zuflucht gesucht hatte. Er wurde offenbar angeschossen – und das ausgerechnet in der Schonzeit.
Solche Fälle werfen Fragen auf: War es ein Versehen, ein bewusster Regelverstoß oder gar ein Fall von Wilderei? In jedem Fall sind die Folgen für das Tier tragisch – und das Leid vermeidbar.
5) Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen braucht es, um solches Tierleid zu verhindern?
Wir wünschen uns, dass sich Tierschutz und Jagd nicht länger als Gegenspieler verstehen, sondern gemeinsam zukunftsfähige Lösungen entwickeln. Dazu gehört für uns vor allem:
Jedes Wildtier, das Nachwuchs bekommt, sollte eine gesetzlich verankerte Schonzeit erhalten – und zwar so lange, bis der Nachwuchs selbstständig überleben kann.
Das wäre nicht nur ein Schritt in Richtung mehr Mitgefühl, sondern auch ein Zeichen für mehr Verantwortung im Umgang mit unseren Wildtieren.
6) Gibt es besondere Maßnahmen, um eine spätere Auswilderung zu ermöglichen?
Ja, selbstverständlich. Die Fuchswelpen werden – wie bei uns üblich – menschenfern aufgezogen und nach einer mehrwöchigen Pflege- und Stabilisierungsphase entwöhnt.
Anschließend erfolgt die kontrollierte Auswilderung in ein geschütztes Naturschutzgebiet im Burgenland, das auf die Rückführung von Wildtieren spezialisiert ist. Ziel ist stets ein Leben in Freiheit – ohne Abhängigkeit vom Menschen.
7) Wie können Menschen richtig helfen, wenn sie verwaiste Fuchsbabys finden? Woran erkennt man, dass sie tatsächlich verwaist sind?
Ein verwaistes Wildtier – egal ob Fuchs, Hase oder Eichhörnchen – sucht oft aktiv die Nähe zum Menschen, wenn es verzweifelt ist. Wenn ein Fuchsbaby sichtbar orientierungslos auf Menschen zugeht, ist das ein Alarmzeichen.
Der wichtigste erste Schritt: Nicht anfassen oder füttern – sondern eine fachkundige Stelle anrufen. Wir sind 365 Tage im Jahr erreichbar und beraten gerne auch telefonisch. Jede Situation ist anders und wir helfen, die Lage richtig einzuschätzen.
Denn: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Nur gemeinsam können wir Tierleid verhindern – und Leben retten.
Vielen lieben Dank für das Interview „Ein Herz für Wildtiere“ aus Steinabrückl